Arno Schmidt in Cordingen

Manches zu Arno Schmidt

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Alice und Arno Schmidt im Mühlenhof Cordingen bei Benefeld

Hier schrieb  Arno Schmidt „Brand‘s Haide“, „Leviathan“, „Enthymesis“ und „Gadir“.

Ende 1945 wurde Schmidt aus dem Militärdienst nach Cordingen in die Lüneburger Heide entlassen. In ein hundert-Einwohner-Dorf irgendwo zwischen Soltau und Walsrode. Dort in Cordingen wohnte er mit seiner Frau in einem spärlich  eingerichteten Zimmer im Cordinger Mühlenhof  . In seiner Erzählung „Schwarze Spiegel“ beschreibt Arno Schmidt seine damalige Wohnung, in die er den Protagonisten  einbrechen lässt:

„ : armselige Einrichtung : ein Bett mit Bretterboden, ohne Kissen und Federbetten, bloß 5 Decken. Ein zerwetzter Schreibtisch, darauf zwanzig zusammengelaufene Bücher in Wellpappkartons als Regälchen; ein zersprungener winziger Herd (na, der hat das große nasse Loch auch nicht erheizen können !) […]. Papier in den Schüben; Manuskripte; ‚Massenbach kämpft um Europa‘;

Arno Schmidt arbeitete in Cordingen und Fallingbostel zuerst als Dolmetscher bei der Hilfspolizeischule in Benefeld, die vom britischen Militär betrieben wurde. Nach deren Auflösung  im Jahr 1946 entschloss er sich, weiterhin  als  freier Schriftsteller zu leben.

Bereits hier begann er mit seinen Fouque-Forschungen und entwarf die Erzählung „Schwarze Spiegel“, die im Raum Cordingen nach einem Atomkrieg ( Dritter Weltkrieg ) spielt, möglicherweise angeregt durch die vielen militärischen Einrichtungen in der Region. Die Pulverwerke „Wolff“ in Bomlitz Benefeld, die EIBIA  oder auch der nahegelegene Fliegerhorst Fassberg, unter den Nationalsozialsten ausgebaut zu einem der größten Militärflughäfen Europas; auch die Rheinmetallwerke im nahen Unterlüß gehörten im Dritten Reich zu den großangelegten militärischen Projekten in der Vorbereitung des Krieges.

Die kommenden Jahre waren  von einer Armut bestimmt, die in Schmidts Werk Eingang fand, vor allem in die in Cordingen entstandene Erzählung „Brand’s Haide“. Ohne die sogenannten CARE-Pakete seiner in Amerika lebenden Schwester wäre er, so  in einer Widmung,  „längst verhungert“.  Noch viele Jahre später klagte er:

„Wir hatten ja nicht einmal SchreiPapier in jenen Jahren, dicht nach ’45; mein ‹Leviathan› ist auf TelegramFormulare notiert“.

1946 schrieb Arno Schmidt die Erzählungen „Leviathan“ und „Enthymesis“, später „Gadir“, die der „Rowohlt Verlag“  1948 zur Veröffentlichung annahm.

Friedhelm Rathjen hat mich freundlicherweise darauf hingewiesen, daß Alice und Arno Schmidt nicht etwa, wie oft kolportiert, mit dem Tandem zu Rowohlt „tandemierten“, sondern mit einer von Rowohlt bezahlten Fahrkarte der Bahn nach Hamburg gefahren sind. Zum Vertragsabschluss fuhren die Schmidts also per Bahn nach Hamburg. Der Vertrag mit dem Rowohlt Verlag, der selbst in finanziellen Schwierigkeiten steckte, und die Veröffentlichung des Erstlings „Leviathan“  konnten Schmidts  Notlage nicht beenden.

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1950 wurde ihm – gemeinsam mit vier weiteren Schriftstellern  – der Große Akademie-Preis für Literatur der Mainzer Akademie zuerkannt, den er aus den Händen seines Vorbilds Alfred Döblin entgegennehmen konnte. 

Derweil wurden die Schmidts nach Gau-Bickelheim bei Mainz umgesiedel. Eine Erfahrung, die Arno Schmidt später in “ Die Umsiedler “ verarbeitete. Hier entstand die endgültige Fassung der Erzählung „Schwarze Spiegel“. 1951 zog das Paar  nach Kastel an der Saar um. Viele Schriftsteller-Kollegen wollten Schmidt überreden, sich an den Tagungen der Gruppe 47 zu beteiligen, doch der lehnte auch ab als Ledig-Rowohlt andeutete, er könne den Preis der Gruppe erhalten:

„Ich eigne mich nicht als Mannequin ; lassen Se man […] Ich nähre mich lieber redlich und still vom Übersetzen als von literarischer 175erei“.

Die Protagonisten in „Schwarze Spiegel“ jedoch bewegen sich   in der Heide ringsum  Benefeld und der Umgebung Cordingens. Dort waren Leben und Wohnen auf dem Mühlenhof  in den Nachkriegsjahren naturgemäß sehr beengt, für mehr als zehn Familien  und insgesamt mehr als dreissig  Personen – die meisten von ihnen Flüchtlinge aus dem Osten  Deutschlands – musste der knappe Wohnraum in dem Gutshaus ausreichen.

Für den werdenden Schriftsteller Arno Schmidt waren all dies höchst unzureichende Arbeitsbedingungen. Er musste  seinen Lebensunterhalt mit Nebentätigkeiten . unter anderem als Dolmetscher für das britische Militär,  verdienen, was ihm zusätzliche Arbeitszeit raubte. Der Kontakt zu den Mitbewohnern des Gutshauses in Benefeld beschränkte sich daher auf das Notwendigste, man lebte so zurückgezogen, wie es unter diesen Umständen eben möglich war.

1952 , auf dem Rückweg von Hamburg, war Arno Schmidt noch einmal in Cordingen um für seine nächste Erzählung  „Aus dem Leben eines Fauns“ zu recherchieren. In der neuen Siedlungskolonie Hünzingen wohnt der Protagonist des neuen Romans, dicht an der neuen Straße Benefeld-Ebbingen.

„Ach, die wegen der Pulverbäckerei da ausgebaut worden ist !“

Mit „Pulverbäckerei“  bezeichnet Schmidt die Pulverfabrik Wolff bei Benefeld. In der  Schilderung der Umgebung Cordingens  bei Fallingbostel werden die Chemiewerke Wolff in Bomlitz sowie auch die Munitionsfabrik EIBIA von Arno Schmidt mehrfach erwähnt. Die Nationalsozialisten hatten  im Schutz der Wälder in der dünnbesiedelten Heide mehrere Standorte geschaffen, in denen kriegswichtiges Material produziert wurde, u.a. auch Geschützproduzent Rheinmetall in Unterlüss mit seinem getarnten großen Schiesstand nicht weit von Fallingbostel entfernt.

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Die Cordinger Mühle

Angeblich wurde sie  im Jahr 1408 an das Kloster in Walsrode verkauft , das mehr als 250 Jahre lang die Grundherrschaft hatte.  Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Besitzer enteignet und die Mühle durch die EIBIA  genutzt.

Die Mühle arbeitete nach dem Krieg noch bis in die 50er Jahre. 1982 gelang es der Gemeinde Bomlitz, das gesamte Grundstück zu erwerben. Fachleute sicherten die historische Bausubstanz; die Stauanlage, der Teich, Mühle und Müllerwohnhaus wurden restauriert und das Backhaus neu aufgeführt. – Die Cordinger Mühle ist durch Arno Schmidt in die Literatur eingegangen. Von 1946 bis 1950 wohnte er mit seiner Frau in  dem ehemaligen Gutshaus, zu dessen Hof auch die Mühle gehörte.

Heute nutzt das Bomlitzer Standesamt die Mühle als Ort für Trauungen. Hier beginnt heute der sogenannte „Arno-Schmidt-Wanderweg“. Wanderer folgen mit Hilfe eines Findlings der Richtung Eibia/Lohheide.  Auf der rechten Seite schlängelt sich die schmale Warnau am  Wanderweg vorbei, dieses Waldstück gehört bereits zum Eibia-Gelände.

EIBIA – Gelände und Arno-Schmidt-Pfad  bei Cordingen

EIBIA ist der Name jener auch von Arno Schmidt beschriebenen Pulverfabrik, die seit 1938 hier  Versuche für Pulvermunition durchführte und  auch produzierte. Auf dem EIBIA – Gelände von über zweihundert Hektar wurden etwa zwanzig Kilometer Straßen geschaffen und mehr als zehn Kilometer Schienen verlegt. Die mehr als zweihundert  Gebäude waren von oben gut mit Bäumen und Sträuchern gegen Aufklärungsflugzeuge getarnt, einige Anlagen waren deshalb auch unterirdisch angelegt. Am Ende des Krieges 1945 war die EIBIA GmbH der größte Pulverproduzent Deutschlands  (wenn nicht Europas) – sechstausend Mitarbeiter, darunter  Zwangsarbeiter aus Konzentrationslagern, waren hier  pausenlos rund um die Uhr  in mehr oder weniger Zwangsarbeit beschäftigt.

 
 

Die Chemischen Werke Wolff in Bomlitz

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Bei den Chemiewerken Wolff – Arno Schmidt erwähnt die Firma nicht nur in seiner Erzählung „Schwarze Spiegel“ – existierte seit 1915 ein großes Werkbahnnetz mit eigenen Lokomotiven und Werkbahnhof. Eingesetzt wurden hier elektrische Lokomotiven, die Siemens und AEG lieferten. Diese wurden Anfang der 80er Jahre endgütig von Diesellokomotiven abgelöst, eine der Fahrdrahtlokomotiven ist als Denkmal auf dem Werksgelände aufgestellt.

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1987 zählten drei Diesellokmotiven zum Bestand der Werkbahn – und ein schienengängiger VW-T1 Bus zur Streckenwartung mit Werkstattausrüstung. Dieses interessante Fahrzeug gab man 1992 an das Museum für Verkehr in Berlin ab.

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Der Personenverkehr auf der Werkbahn und auf dem anschließenden DB-Ab­schnitt zwischen Bomlitz und Walsrode endete im Juni 1991. Den Werkbahn-Betrieb führt die OHE durch, beim ehemaligen Werkbahn-Bahnhof steht weiterhin die Denkmal-Elok.

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Bomlitz – das alte Verwaltungsgebäude der Wolff – Werke

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